Freitag, 23. August 2013

Astrakhaaaaaaan – ein magischer Name

J. Wir erreichen die Stadt mit dem wohlklingenden Namen Astrakhan am späten Vormittag und machen uns in Vorfreude auf eine anständige Dusche und eine Waschmaschine auf die Suche nach dem Park Inn. Der Verkehr ist, wie für russische Städte üblich, katastrophal disorganisiert und die Suche nach der Zufahrt zum Park Inn, welches wir sehen aber nicht erreichen können, erweist sich als schweißtreibender Akt in einem Gewirr aus Hinterhof Favelas, kleinen Gässchen mit herunterhängenden Baumzweigen und einem Gewusel aus Minibussen und Autos. Als wir schlussendlich die Treppen des herrschaftlichen Park Inns erklimmen, erahnen wir, dass dies kein billiges Unterfangen werden wird. Wir werden erfreulicherweise auf Englisch begrüßt und erfahren den Zimmerpreis von über 5000 Rubel plus 300 Rubel pro gewaschenesT-Shirt. Da wir das letzte Mal in Berlin unsere Wäsche in einer Waschmaschine waschen konnten, hatte sich ein beträchtlicher Berg Wäsche angehäuft und ließ uns zwangsläufig nach einer Alternative Ausschau halten. Wir durften trotz allem, netter Weise den bewachten, eingezäunten Parkplatz in zentraler Lage benutzen und konnten uns somit mit gutem Gewissen auf eine Erkundungstour begeben. Ja wir haben inzwischen einen starken Bezug zu unserem „Haus“ und lassen es nur ungern alleine.

 Im gegenüberliegenden Shoppingcenter fanden wir dann tatsächlich eine Wäscherei aber die Frau gab uns unmissverständlich auf russisch zu verstehen, dass sie zwar einzelne Hemden waschen könnte, aber sie keine Lust auf einen Wäscheberg hätte. Enttäuscht verließen wir das Shoppingcenter über eine Rolltreppe. Weil Stefan, Annabelle auf dem Geländer stehend runterfahren ließ, dreht sich die Frau vor uns wie eine Furie um, um uns auf Russisch die Leviten zu lesen. Freundlich fragte ich sie, ob sie ihre Aussage in English wiederholen könnte. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig und wir fingen ein nettes Gespräch an. Sie erzählte uns, dass sie Kasachstan stämmig sei und dass wir selbstverständlich unsere Wäsche bei ihr waschen könnten. Sie gab uns ihre Adresse und wir verabredeten uns für den Abend. Nach einem ausgiebigen Shoppingtrip im nächsten Supermarkt, wir müssen zugeben, dass auch ein paar deutsche Kleinigkeiten ihren Weg in unseren Einkaufswagen fanden, begaben wir uns auf die Suche nach der angegebenen Adresse. Die Navigation per Navi und Handy gestaltete sich äußerst schwierig, da die Übersetzung der kyrillischen Straßennamen mehr als mangelhaft ist und es daher einem Wunder gleicht an der richtigen Adresse anzukommen. Nach viel Kurverei durch viel zu niedrige und schmale Hinterhofgässchen, erreichten wir schlussendlich aus unerfindlichen Gründen, den kleinen unscheinbaren Eingang in einem Megawohnungsblock.

Eugina’s Mann holte uns mit dem klapprigen, sehr in die Jahre gekommenen Lift ab und wir wurden überaus herzlich willkommen geheißen.

Full House.. Eugina empfing zufällig am gleichen Abend, ein niederländisches Pärchen, dass mit dem Fahrrad nach Russland gereist ist. Die beiden 60 und 68 Jahre alten Radler inspirierten uns mit ihrem Enthusiasmus und Optimismus. Eugina hatte die beiden auf der Internetplattform „servas“ kennengelernt, diese im ähnlichen Stil wie Couchsurfing funktionierende Organisation wurde kurz nach dem 2. Weltkrieg gegründet, um die Völkerverständigung zu verbessern. Die Idee war, dass Menschen die einander und die Kultur des anderen persönlich kennenlernen, keinen Krieg miteinander anfangen. Wir sind begeistert von dieser Idee und genießen die nette Gesellschaft, dieser so lustig zusammengewürfelten Gruppe aus Eugina, ihrem Mann, einer Freundin (eine russisch stämmige Englischlehrerin), den niederländischen Radlern, dem deutschen Boxer „Eiser“ und uns. Annabelle genoß die große Gesellschaft, tobte auf dem Sofa und schlief unerwarteter Weise ohne Probleme im Nebenzimmer ein.

Es wäre ein perfekter multinationaler Abend gewesen, wäre es nicht überschattet gewesen von dem Verlust unseres gesamten Schlüsselbundes mit ca. 20 Schlüsseln. Wir hatten nicht bemerkt, dass wir diesen zwei Tagesreisen entfernt auf einem Supermarktparkplatz, beim nachfüllen des Wassertanks auf dem Ersatzreifen liegenlassen hatten. Wir überlegten lange, ob wir das Risiko auf uns nehmen sollten, die Strecke durch die Steppe mit 50km/h zurückzufahren und den Schlüssel zu suchen. Das Problem war, das wir durch den Verlust des Schlüsselbundes, keine Möglichkeit hatten den Tank aufzufüllen und wir daher nach wagemutigen Berechnungen, möglicherweise mit dem letzten Tropfen dort ankommen könnten. Eugina war eine sehr hilfreiche Gastgeberin und telefonierte bis spät in die Nacht mit verschiedenen Stellen ua. mit der Polizei und auch ihre Freundin rief ihren Mann an, um über dessen vergangene Polizeitätigkeit, einen Kontakt zur Polizei in diesem kleinen Dorf herzustellen- alles vergeblich. Das Sahnehäubchen kam aber noch, da Eugina um 2 Uhr morgens von der Polizei besucht wurde, um über unseren Vorfall zu berichten.

Nach einer unruhigen Nacht entschlossen wir uns, nach vielen vergeblichen Versuchen, Kontakt zu dem besagten Dorf aufzunehmen, dazu einen Schlüsseldienst anzufordern. Dieser brach nach schweißtreibender Arbeit, 2 Schlösser für 200 US Dollar auf und entfernte die Ersatzkanisterschlösser kostenfrei, das 5te ließen wir geschlossen. Den Verschluss für den Wassertank musste er ja nicht mehr aufbrechen, da wir diesen zusammen mit den Schlüsseln verloren hatten.

Um uns von dem ganzen Schreck zu erholen, bummelten wir nach der herzlichen Verabschiedung unserer neuen Freunde, über die Gemüsemärkte. Und ich fröhnte meinem Hobby, alte Häuser zu fotografieren. Diese einstmals wunderschön gebauten Häuser, sind bereits seit Jahrzehnten baufällig und zum Teil schon bis zur Hälfte im Erdboden versunken. Was der Grund für diese Erscheinung ist, bleibt Spekulationssache. Die Menschen auf den Märkten waren überaus freundlich zu uns, rundeten die Preise ab und immer wieder sprachen uns Leute an, die offensichtlich gerne mehr über uns erfahren hätten aber die Sprachbarriere bedauerlicherweise unüberwindbar blieb.

Russland ist uns ans Herz gewachsen- ein Land mit seinen manchmal nach außen hin schroff wirkenden Ausdrucksweisen, ist erfüllt von äußerst lieben, gastfreundlichen, hilfsbereiten und zuvorkommenden Menschen. Ein Land vor dem ich zugegebenermaßen etwas Befürchtungen hatte, welche mir glücklicherweise für immer genommen wurde. Das Fürchterlichste was uns passiert ist, ist das wir ungefragt abgeknutscht wurden. Wir kommen wieder….versprochen…















1 Kommentar:

Ninja, Roberto & Joel hat gesagt…

schön geschrieben...

ohhh, diese Häuser!!! Ich wusste garnicht, dass das dein Hobby ist.
Ich werde dann wohl am Ende der Reise entscheiden, welches mir am besten gefällt und welches wir dann kaufen. ;) hahhaha ( knips weiter so...Jenny oder Stefan eigentlich?)