Der Sprachunterschied ist nicht das einzige was uns
unterscheidet, auch unsere Einstellung zu Tieren und der Wertschätzung von
Gegenständen unterscheidet sich massiv. Als das Mädchen anfängt den getunten
Trabi des Vaters mit einem Stock zu bearbeiten, weist die Mutter sie zurecht
und meint, dass sie doch bitte nicht das Auto sondern lieber die Katzen
schlagen soll. Bis hier hin könnte man meinen, wir hätten die Situation
missverstanden. Doch als die Mutter eine zweite Katze fängt, da die erste das
Weite gesucht hat, damit sie die Katze mit dem Stock verprügeln kann, fällt uns
nichts mehr dazu ein.
Interessanterweise sind wir bisher viel mehr mit Frauen in
Kontakt gekommen als mit Männern, diese verhalten sich eher schüchtern und im
Hintergrund. Eine weitere ältere Frau kommt auf uns zu und lädt uns zu sich in
ihren Garten ein. Wir probieren uns von vorne nach hinten durch, es gibt
Aprikosen, Tomaten, Gurken, Zucchini, Bohnen, Kürbise, Kartoffeln, Nüsse, runde
kleine Zwetschgen und und und. Sie ist so herzlich, zeigt uns ihr ganzes Haus
welches mit etlichen Betten in jedem Raum ausgestattet ist, sogar eines über
einem Kachelofen für den Winter. Es riecht leicht modrig, es hängen alte Fotos
an den Wänden von zumeist verstorbenen Geliebten und es ist wie fast alle
Häuser in der Ukraine stark baufällig. Der Holzofen in der Küche wurde
beispielsweise abenteuerlich auf Gas umgerüstet und auch die weiteren
Gasleitungen führen freihängend durch die Räume. Ihr gesamtes Überleben hängt
von dem schwer zu bewirtschaffenden, großen und wie hier üblich langgezogenen
Garten ab. Das Gemüse und Obst wird in Gläser eingemacht, um im Winter als
Nahrung zu dienen und die Kartoffeln und Zwiebeln lagern im urigen
Kartoffelkeller.
Im Allgemeinen ist uns schon aufgefallen, dass die Leute auf
der einen Seite arbeitsbedingt, sehr dreckig rumlaufen aber in Wirklichkeit
äußerst eitel sind. Fotos dürfen zum Beispiel nur hinter Büschen oder anderen
Personen stehend geschossen werden, um ungewollte Speckröllchen zu verstecken.
Der Abschied fällt wie immer schwer, da wir wissen, dass wir
diese uns so herzlich empfangenden Menschen, wahrscheinlich nie wieder sehen
werden. Es lässt uns auch nachdenklich werden, über unser eigenes Verhalten
bzgl Fremden, unvoreingenommener Gastfreundschaft. Wie hätten wir reagiert,
wäre ein ausländisches Auto vor unserer Münchner Wohnung gelandet. Hätten wir
sie zum Essen reingebeten, unser Bett angeboten, ihnen Geschenke angeboten ohne
eine Gegenleistung zu erwarten? Hier kann man noch viel lernen…
Bevor wir in ein neues Land fahren fragen wir uns
gegenseitig über unsere Vorurteile, fragen uns wie wir zu diesen gekommen sind
und ob wir glauben das diese Klischees erfüllt werden. Die Selbstexploration
ist sehr interessant für uns und die Welt wächst Kilometer für Kilometer näher
zusammen.
Man muss dazu sagen, wir sind nicht ohne Ängste und wir sind
nicht ohne Vorurteile. Vorurteile sind eine Notwendigkeit um in der Welt zu
überleben, um das unbekannte zu vereinfachen und um einem in der Weite der Welt
ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Wir
sind eine junge Familie die versucht ihre Einstellungen zu Dingen zu
hinterfragen, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen und herauszufinden um was sich
die Welt dreht.
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