Im gegenüberliegenden
Shoppingcenter fanden wir dann tatsächlich eine Wäscherei aber die Frau gab uns
unmissverständlich auf russisch zu verstehen, dass sie zwar einzelne Hemden
waschen könnte, aber sie keine Lust auf einen Wäscheberg hätte. Enttäuscht
verließen wir das Shoppingcenter über eine Rolltreppe. Weil Stefan, Annabelle
auf dem Geländer stehend runterfahren ließ, dreht sich die Frau vor uns wie
eine Furie um, um uns auf Russisch die Leviten zu lesen. Freundlich fragte ich
sie, ob sie ihre Aussage in English wiederholen könnte. Ihr Gesichtsausdruck
änderte sich schlagartig und wir fingen ein nettes Gespräch an. Sie erzählte
uns, dass sie Kasachstan stämmig sei und dass wir selbstverständlich unsere
Wäsche bei ihr waschen könnten. Sie gab uns ihre Adresse und wir verabredeten
uns für den Abend. Nach einem ausgiebigen Shoppingtrip im nächsten Supermarkt,
wir müssen zugeben, dass auch ein paar deutsche Kleinigkeiten ihren Weg in
unseren Einkaufswagen fanden, begaben wir uns auf die Suche nach der
angegebenen Adresse. Die Navigation per Navi und Handy gestaltete sich äußerst
schwierig, da die Übersetzung der kyrillischen Straßennamen mehr als mangelhaft
ist und es daher einem Wunder gleicht an der richtigen Adresse anzukommen. Nach
viel Kurverei durch viel zu niedrige und schmale Hinterhofgässchen, erreichten
wir schlussendlich aus unerfindlichen Gründen, den kleinen unscheinbaren
Eingang in einem Megawohnungsblock.
Eugina’s Mann holte uns mit dem klapprigen, sehr in die
Jahre gekommenen Lift ab und wir wurden überaus herzlich willkommen geheißen.
Full House.. Eugina empfing zufällig am gleichen Abend, ein
niederländisches Pärchen, dass mit dem Fahrrad nach Russland gereist ist. Die
beiden 60 und 68 Jahre alten Radler inspirierten uns mit ihrem Enthusiasmus und
Optimismus. Eugina hatte die beiden auf der Internetplattform „servas“
kennengelernt, diese im ähnlichen Stil wie Couchsurfing funktionierende
Organisation wurde kurz nach dem 2. Weltkrieg gegründet, um die
Völkerverständigung zu verbessern. Die Idee war, dass Menschen die einander und
die Kultur des anderen persönlich kennenlernen, keinen Krieg miteinander
anfangen. Wir sind begeistert von dieser Idee und genießen die nette
Gesellschaft, dieser so lustig zusammengewürfelten Gruppe aus Eugina, ihrem
Mann, einer Freundin (eine russisch stämmige Englischlehrerin), den
niederländischen Radlern, dem deutschen Boxer „Eiser“ und uns. Annabelle genoß
die große Gesellschaft, tobte auf dem Sofa und schlief unerwarteter Weise ohne
Probleme im Nebenzimmer ein.
Es wäre ein perfekter multinationaler Abend gewesen, wäre es
nicht überschattet gewesen von dem Verlust unseres gesamten Schlüsselbundes mit
ca. 20 Schlüsseln. Wir hatten nicht bemerkt, dass wir diesen zwei Tagesreisen
entfernt auf einem Supermarktparkplatz, beim nachfüllen des Wassertanks auf dem
Ersatzreifen liegenlassen hatten. Wir überlegten lange, ob wir das Risiko auf
uns nehmen sollten, die Strecke durch die Steppe mit 50km/h zurückzufahren und
den Schlüssel zu suchen. Das Problem war, das wir durch den Verlust des
Schlüsselbundes, keine Möglichkeit hatten den Tank aufzufüllen und wir daher
nach wagemutigen Berechnungen, möglicherweise mit dem letzten Tropfen dort
ankommen könnten. Eugina war eine sehr hilfreiche Gastgeberin und telefonierte
bis spät in die Nacht mit verschiedenen Stellen ua. mit der Polizei und auch
ihre Freundin rief ihren Mann an, um über dessen vergangene Polizeitätigkeit,
einen Kontakt zur Polizei in diesem kleinen Dorf herzustellen- alles
vergeblich. Das Sahnehäubchen kam aber noch, da Eugina um 2 Uhr morgens von der
Polizei besucht wurde, um über unseren Vorfall zu berichten.
Nach einer unruhigen Nacht entschlossen wir uns, nach vielen
vergeblichen Versuchen, Kontakt zu dem besagten Dorf aufzunehmen, dazu einen
Schlüsseldienst anzufordern. Dieser brach nach schweißtreibender Arbeit, 2
Schlösser für 200 US Dollar auf und entfernte die Ersatzkanisterschlösser
kostenfrei, das 5te ließen wir geschlossen. Den Verschluss für den Wassertank
musste er ja nicht mehr aufbrechen, da wir diesen zusammen mit den Schlüsseln
verloren hatten.
Um uns von dem ganzen Schreck zu erholen, bummelten wir nach
der herzlichen Verabschiedung unserer neuen Freunde, über die Gemüsemärkte. Und
ich fröhnte meinem Hobby, alte Häuser zu fotografieren. Diese einstmals
wunderschön gebauten Häuser, sind bereits seit Jahrzehnten baufällig und zum
Teil schon bis zur Hälfte im Erdboden versunken. Was der Grund für diese
Erscheinung ist, bleibt Spekulationssache. Die Menschen auf den Märkten waren
überaus freundlich zu uns, rundeten die Preise ab und immer wieder sprachen uns
Leute an, die offensichtlich gerne mehr über uns erfahren hätten aber die
Sprachbarriere bedauerlicherweise unüberwindbar blieb.
Russland ist uns ans Herz gewachsen- ein Land mit seinen
manchmal nach außen hin schroff wirkenden Ausdrucksweisen, ist erfüllt von
äußerst lieben, gastfreundlichen, hilfsbereiten und zuvorkommenden Menschen.
Ein Land vor dem ich zugegebenermaßen etwas Befürchtungen hatte, welche mir
glücklicherweise für immer genommen wurde. Das Fürchterlichste was uns passiert
ist, ist das wir ungefragt abgeknutscht wurden. Wir kommen wieder….versprochen…
1 Kommentar:
schön geschrieben...
ohhh, diese Häuser!!! Ich wusste garnicht, dass das dein Hobby ist.
Ich werde dann wohl am Ende der Reise entscheiden, welches mir am besten gefällt und welches wir dann kaufen. ;) hahhaha ( knips weiter so...Jenny oder Stefan eigentlich?)
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