Mittwoch, 25. September 2013

Die Nerven liegen blank

J: Wir sitzen nun schon seit mehr als einer Woche hier zwischen Schnellstraße, Bahnschiene, Feuerwehr und Baustelle fest. Dies ist eine harte Probe für unsere Geduld…
Um diese Situation zu veranschaulichen, könnte man zum Beispiel erwähnen, dass in der Früh der Gaswarner anfing zu trällern, weil die Abgase der Straße das Auto in einen toxischen Nebel hüllten. Almaty liegt an sich romantisch gelegen an den Berghängen des Tian Shan Gebirges (tian-Himmel, shan- Berg), doch meistens sieht man diese schneebedeckten Berge nicht oder nur durch einen Smogschleier.
Die Ankunft unserer Ersatzteile hatte sich ja, wie beschrieben um zwei Tage verschoben und die Frage ob wir diese noch rechtzeitig vor dem Wochenende erhalten würden stand im Raum.
Die Maschine sollte um 5 Uhr morgens landen ,also fuhren uns unsere österreichischen Freunde netterweise um 7 Uhr morgens zum Flughafen. (die beiden wollten eigentlich auch schon vor Tagen Almaty verlassen, wurden aber durch Fehlinformationen über Ersatzteile aufgehalten. Wir genossen es in vollen Zügen endlich einmal Reisende zu treffen, die zu allem Überfluss auch noch unserer Sprache mächtig waren.)
Wir brauchten über 2 Stunden, um am Flughafen jemanden zu finden, der uns den Weg zum Cargo Gebäude zeigen konnte. Eine Odysee an unzähligen Schaltern, verschiedenen Gebäuden, in oder vor Taxis, brachte uns an den Rand der Verzweifelung. Die Sprachbarriere schien trotz diversen Übersetzern und der Hilfe des Bosses von Turkish Airlines unüberwindbar. Die Leute verlangten Unsummen von Geld, wussten im Endeffekt aber nicht mal den Weg. Den Weg, den wir dann im Endeffekt über dreckige Straßen zu Fuß zurücklegten, sollte uns bis zu 50 US Dollar kosten, obwohl es der gleiche Flughafen war. Nachdem wir aufgrund der stundenlangen Diskussionen und des Fußweges schon erschöpft im Cargogelände ankamen, fing dort das Prozedere erst an. Von einem Gebäude ins nächste, dort am Schalter warten, dann dort. Zwischendurch wurde uns gesagt wir sollten nach Hause fahren, da es fragwürdig sei, dass die Frachtpapiere heute überhaupt noch fertig werden würden. Ich blieb sturr und war bereit den Sitzstreik bis in die Nacht durchzuziehen, mit einer Übersetzerin am Telefon, behaarte ich auf eine schnelle Abwicklung. Auch wenn es hieß, dass dies unmöglich sei, waren die Papiere in weniger als 30 Minuten plötzlich doch auffindbar. Das Prozedere schien nicht enden zu wollen und schlussendlich gelangten wir ohne es zu wollen, ins Office eines Brokers. Was dies bedeutet, war klar Tenge Tenge, gleichzusetzten mit Money Money... Wahrscheinlich hätten wir es auch ohne geschafft, aber nach Aussage der Mitarbeiter hätte es mehrere Tage dauern können, was bedeutet hätte, dass wir noch länger auf die Reparatur hätten warten müssen. Oder wie es der ADAC Mitarbeiter ausdrückte, gebt ihnen soviel sie verlangen und fragt auf gar keinen Fall nach einem Rabatt, da in der Vergangenheit, Teile bis zu 10 Tagen zurückgehalten wurden. Was nicht nur unangenehm sondern Visa technisch unmöglich wäre, man erinnere sich an die Aussage der Beamtin, dass uns bei erneuter Visa-Überschreitung Gefängnis drohe.
Also kamen wir der Forderung von 300 US Dollar mit Wehmut nach…denn wie er sagte, mussten er sich sputen vor dem Mittagessen überhaupt noch etwas in die Gänge zu bringen. Das Mittagessen scheint in Kasachstan heilig, die Arbeit wird egal in welchem Zustand Punkt um fallen gelassen und zwar von jedem, es steht alles still. Von der Möglichkeit versetzt Pausen zu nehmen, hat hier glaub ich noch niemand gehört. Zum Glück hielt der Broker sein Wort und wir konnten das schwere Paket schlussendlich draußen in Empfang nehmen. Zum Ausgleich für den hohen Lohn verdonnerten wir ihn, uns noch ein Taxi zu organisieren, was hier nicht immer einfach ist. Besonders das erklären wohin und die Tatsache, dass fast nur Privatautos als Taxis fungieren, macht die Suche nach dem Zielort zum Roulettespiel. Tatsache ist, dass kein Taxifahrer ob Privat- oder „professionelles“ Auto, ein Navi, eine Karte oder tiefere Ortskenntnisse besitzen.
Doch wir haben wie immer Glück, ein Pickup mit einer großen leeren Ladefläche hält, wir nehmen Platz und über Schleichwege führt er uns zielgenau zurück zur „Blue Star of Kasachstan“ Werkstatt. Dort werden wir schon erwartet und uns wird zugesichert, dass hier keiner nach Hause geht, bevor unser Auto abfahrtbereit ist, selbst wenn es bis Mitternacht dauert. Mal sehen ob sie Wort halten werden… dafür müssten sie aber aufhören Schach zu spielen und ihren Nikotinkonsum einschränken. Nach eigener Aussage, hätten sie noch nie solch eine Querblattfeder eingesetzt und wir hoffen , dass die inzwischen übersetzte halbseitige Einbauanleitung ausreicht, einen reibungslosen Austausch zu gewähren.
Annabelle und ich nehmen im Wartebereich Platz (der inzwischen Menschenleer und abgedunkelt ist) und Stefan beobachtet jeden Handgriff der Mechaniker in der Werkstatt.
Gerade zappt der Security Mann eifrig im TV, die Chipstüte ist das einzige was zu einem chilligen Fernsehtag zu fehlen scheint. Wartet, jetzt steht er auf, also entweder holt er jetzt seinen fehlenden Snack oder er muss sich unangenehmer Weise für seine Pflichtrunde von der bequemen Besuchercouch erheben. Die Lautstärke, ist an die Ohren des etwas in die Jahre gekommenen Wachmanns angepasst und das Stöhnen der Sterbenden im Thriller erfüllt den Raum. Die Wachrunde wurde dies Mal früher beendet, der Film ist ja auch viel zu spannend…
Später werden Annabelle und ich nach Scharfstellung der Alarmanlage, von einem mit einer Schrottflinte bewaffneten Wachmann, dazu verdonnert die Couch wegen der Bewegungsmelder nicht mehr zu verlassen. (Wer hat schon mal versucht eine Zweijährige über Stunden auf einer Couch zu beschäftigen, lediglich mit Milch aus dem Automaten und Keksen über das ausgelassene Abendessen hinweg zutrösten und schliesslich auf dieser 30cm Couch ins Land der Träume zu begleiten?)

1 Kommentar:

Ninja, Roberto & Joel hat gesagt…

Ohh man, ihr habt es mir zwar schon erzählt, aber das jetzt nochmal zu lesen, gleicht einem kleinen Krimi ( sagt eine nicht Krimi Leserin).
Da habt ihr aber ein ganz schön braves Mädchen, die alles so toll mitmacht... Ich bin stolz auf dich meine Prinzessin!!!! :)