Freitag, 13. September 2013

Astana - eine andere Welt in Kasachstan

S: Wahnsinn! Wir haben einiges über Astana gelesen, aber in der Realität hatte ich mir die Hauptstadt Kasachstans ganz anders vorgestellt. Wir sind in einer neuen Welt angekommen, die mit dem übrigen Kasachstan, durch welches wir jetzt schon seit über zwei Wochen reisen überhaupt nichts zu tun hat. Wir vergleichen die Stadt immer wieder mit Las Vegas (Spielcasinos gibt es aber keine). Die Stadt, die erst 1997 zur Hauptstadt ernannt wurde, ist wirklich eine Vorzeigestadt mit prunkvollen Gebäuden, breiten Straßen und edel beleuchtete Boulevards, Touristenattraktionen, Shoppingmalls und Unterhaltungsmöglichkeiten in Hülle und Fülle. Das Straßenbild ist geprägt von tiefergelegten Oberklassenlimousinen deutscher oder riesengroßen Geländewagen japanischer oder amerikanischer Hersteller. Hier ist das Geld zu Hause oder es wird zumindest so getan.

Wir sind wirklich fasziniert von der Stadt, die mit keiner anderen kasachischen Stadt die wir bisher gesehen haben zu vergleichen ist. Eigentlich wollten wir uns in Astana ein Hotel nehmen und ein paar Tage zur Ruhe kommen. Bei der Hotelrecherche stolpern wir aber über das Khan Shatyr, eine riesengroße Shopping-Mall mit diversen Unterhaltungsmöglichkeiten. Wir beschließen den „Sky Beach Club“ zu besuchen, eine riesige Poollandschaft auf dem Dach der Mall, mit Sandstrand und Wasserrutschen. Die gesalzenen Eintrittspreise zeigen auch, dass das Lohnniveau in den Städten deutlich höher sein muss, als im Rest des Landes. Der „Durchschnitts-Kasache“ wird sich dies nämlich nicht wirklich leisten können. Annabelle hat ihren Spaß, tobt stundenlang im Wasser und am Sandstrand und auch wir genießen den tropischen Flair. Wir entschließen uns doch kein Hotel zu nehmen (der Hotelpool wäre nämlich eigentlich das ausschlaggebende Argument gewesen) und machen uns wieder auf den Weg ein Übernachtungsplätzchen außerhalb der Stadt zu finden. In der Abenddämmerung  faszinieren uns die riesigen Leuchttafeln und ein riesiger Bogen in einer Häuserfront, den man mit dem Fahrzeug durchfahren kann. Wir nehmen also ein paar Kilometer Umweg in Kauf und besichtigen die Stadt mit dem Fahrzeug. Als wir plötzlich feststellen, dass eine riesige Straße am Ende von Schranken blockiert wird möchten wir unser Fahrzeug nur schnell drehen. Aber so weit kommt es nicht mehr. Ein Fahrzeug (bei dem ich vermeintlich dachte es wäre ein Taxi) leuchtet mit seinen Scheinwerfern auf. Kurz darauf springen mehrere Polizisten aus dem Fahrzeug und halten uns an. Es wird in kasachisch auf uns eingeredet bzw. eher geschrien, wild gestikuliert und dann müssen wir das Fahrzeug abstellen und ich muss aussteigen. Einer der Polizisten zeigt auf ein Schild welches die Weiterfahrt (und so auch unser Drehmanöver) verbietet. Es werden Führerschein und Fahrzeugpapiere gefordert und dann soll ich in den Polizeiwagen steigen (in dem es mächtig warm war). Plötzlich fand ich mich mit 3 Polizisten in einem Fahrzeug wieder. Keiner der Beamten sprach auch nur ein Wort Englisch. Ich wusste immer noch nicht was los ist. Einer der Beamten war ziemlich angepisst. So langsam klärte sich die Situation: Mit Händen uns Füßen wurde mir klargemacht, dass ich hier nicht hätte lang fahren dürfen (was ich ja schon davor begriffen hatte). Ein paar Meter weiter würde sich der Palast des Präsidenten befinden. (Er nannte vermutlich den Namen des Präsidenten, da mir der Name aber nicht geläufig war, deutete er noch mal auf den Palast und sagte dann „Merkel“). Dann wurde mir noch erklärt, dass sie beinahe auf unser Fahrzeug geschossen hätten (vielleicht war deswegen der eine Polizist ja so schlechter Laune, weil er nicht schießen durfte?). Auf jeden Fall wurde dann etwas von Protokoll gelabert und ich sollte eine Strafe in Höhe von 10.000 Tenge bezahlen (das sind umgerechnet etwa 50 €). Da wir bislang keine negativen Erfahrungen mit der Polizei in Kasachstan gemacht hatten, versuchte ich ohne Bezahlen aus der Nummer heraus zu kommen. Irgendwie war die ganze Situation in dem Polizeiwagen auch skurril bis teilweise lustig: Einer der Beamte fragte mich etwas auf kasachisch was ich (natürlich) nicht verstand. Ich antwortete dann erstmal mit Kopfnicken. Die Reaktion von dem Beamten war dann eher verwundert. Er stellte mir die gleiche Frage noch mal und ich schüttelte den Kopf. Die Antwort fand er dann offensichtlich besser (glaube ich zumindest) aber zur Sicherheit stellte er mir die Frage noch mal. Diesmal nickte ich wieder mit dem Kopf. Die Reaktion war die Selbe wie am Anfang. Also stellte er die Frage dann zum vierten Mal. Ich schüttelte zur Abwechslung wieder den Kopf (was sollte ich auch tun?). Daraufhin gab er entnervt auf, schimpfte etwas vor sich hin und übergab das Gespräch an einen seiner Kollegen. Wirklich weiter kamen wir also nicht. Also versuchte ich die nächste Taktik: Ich gab den Beamten alle möglichen Dokumente (auch welche die eigentlich überhaupt nichts mit dem Fahrzeug oder uns zu tun hatten, vorrangig natürlich in deutscher Sprache). Aber auch dies half nicht. Irgendwie war mir dann klar, dass ich ohne Bezahlen nicht weiter kommen würde. Ich bot den Beamten 20 US-Dollar an, welches aber direkt abgelehnt wurde. Dann bat ich den einen Beamten, der mir die 10.000 Tenge auf seinem Handy eingetippt hatte, mir noch mal sein Handy zu geben. Er schüttelte vehement den Kopf (Was er wohl in dieser Situation dachte?) und deutete auf meine Hosentasche (ich hatte aber kein Handy dabei). Ich gab ihm zu verstehen, dass ich kein Handy dabei hätte und dann gab er mir doch zögernd sein Smartphone. Ich tippte meine Vorstellung von 5.000 ein, zeigte den Betrag dem Beamten. Er fragte noch: Tenge? Ich nickte. Er nickte. Ich ging kurz zum Fahrzeug, holte das Geld und durfte verschwinden. Puhhh, Glück gehabt. Von Peng Fei (der mit seinem Sohn gerade auch durch Kasachstan reist) erfahren wir später, dass er ziemlich oft mit der Polizei in Berührung gekommen ist (über 100mal dh. bis zu viermal in einer Ortschaft) und eher negative Erfahrungen gemacht hat. Der Adrenalinpegel für den Tag war auf jeden Fall gesättigt. Wir fanden dann nach ewiger Suche, noch einen geeigneten Übernachtungsplatz außerhalb eines kleinen Dorfes (dieser stellte sich dann am nächsten Morgen aber eher als Dorf-Müllplatz heraus) und beschlossen am nächsten Tag noch einmal nach Astana zu fahren.

Auf unserer ToDo-Liste für den nächsten Tag in Astana standen dann u.a. unsere Wäsche der letzten Wochen zu erledigen (in den meisten größeren europäischen Städten gibt es Wasch-Salons an jeder Ecke, in der Ukraine/Russland oder auch Kasachstan gibt es diese Einrichtungen aber leider überhaupt nicht). Glücklicherweise fand Jennay aber die Adresse eines Hostels heraus, bei dem wir unser Glück versuchen wollten. Hier hatten wir dann auch Erfolg. Wir durften drei Waschmaschinenladungen waschen, nur der Trockner wurde uns vorenthalten (warum wissen wir bis heute nicht). Also versuchten wir alle Handtücher, T-Shirts etc. irgendwie in unserem Fahrzeug aufzuhängen, was aber eine ziemliche Herausforderung war. Annabelle tobte derweil auf diversen Kinderspielplätzen herum und als es dann schon ziemlich spät war, entschlossen wir uns die Nacht in der Stadt zu verbringen (was wir ja sonst eigentlich versuchen zu verhindern), da wir die Stadt bislang als sehr sicher empfanden. Am nächsten Morgen trockneten wir die restlichen Klamotten mit Hilfe der Fahrzeugklimaanlage. Der Versuch unser Internetguthaben wieder aufzuladen schlug zunächst erstmal fehl (die SIM Karte hatten wir von einer super netten kanadischen Solar-Radlerin, die eine Nacht in unserem Fahrzeug übernachten durfte, geschenkt bekommen). Dann ließen wir uns von einer netten Frau helfen (von unserem letzten Guthaben hat sie uns aber erstmal einen Fun-Ringtone gekauft, den wir natürlich unbedingt brauchten J ). Letztendlich hat es dann aber auch geklappt. Unsere Wasserreserven konnten wir dann in einem Hotel wieder auffüllen (ich musste die 25x 5 Liter Wasserkanister gefühlt einmal durch die Stadt tragen und hatte damit mein Workout für die nächsten Tage hinter mir) und nach zwei Tagen der Ruhe und Erholung, beschlossen wir die Stadt wieder Richtung Almaty zu Verlassen.

Fazit: Mir gefällt die Stadt wirklich gut. Nur der Gedanke, dass im Winter hier Temperaturen von – 50 Grad herrschen (Astana ist die zweitkälteste Hauptstadt der Erde) finde ich nicht besonders prickelnd. Außerdem frage ich mich, wie diese Stadt wohl in ein paar Jahren aussehen wird. Die Gebäude wirken auf den ersten Blick sehr edel und schick. Beim genaueren Hinsehen sieht man aber auch, dass die Bausubstanz sehr minderwertig ist und Neubauten bereits nach ein paar Monaten schon massivste Abnutzungserscheinungen zeigen, die vermutlich, wie auch in anderen Teilen Kasachstan, nie wieder erneuert oder repariert werden.



 

















 

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