J: Es ist nicht nur ein Eintritt in eine neue Zeitzone sondern auch in einen anderen Religions- und Kulturkreis.
Nach einer ersten ruhigen Nacht, in der wir lediglich von hunderten von Mücken belästigt werden, die einen schwarzen Schleier über unser Fahrzeug ziehen, begeben wir uns ans Kaspische Meer. Das Wasser ist Knöcheltief und Annabelle planscht ausgelassen im Badewannenwarmen Wasser und freut sich über die Kühe direkt am Strand. Eine Gruppe Erdölarbeiter lädt uns auf ein Stück Wassermelone ein und zeigt uns stolz ihren antik wirkenden Bus. Doch leider machen wir hier Bekanntschaft mit einer neuen Kultur, die Männer versuchen Stefan abzulenken und ihn wegzulocken. Während mich einer versucht zurückzuhalten um mir, trotz Annabelle auf dem Arm näher zu kommen und mir immer wieder „Iluvyou“ zu sagen. Wir realisieren die Situation erst sehr spät und sind froh, als sie irgendwann nach Belagerung unseres Fahrzeugs, etc , nach Ausschlagung ihrer Einladung in ihr Wohnheim, abdampfen.
Zurückbleiben ein paar weitere Männer, die sich in dem ganzen Gewirr unter die Maße gemischt hatten. Sie velangen nach Vodka und Essen und freundlich wie wir sind geben wir ihnen alles und geben ihren wiederholten Aufforderungen nach Nachschlag nach. Schließlich überreden sie uns mit Nachdruck, ihnen in ihr Dorf zu folgen und damit wir auch ja mit fahren, fährt ein Junge mit uns mit. Er versteht kein Englisch, übersetzt aber fleißig mit seinem Handy und meint es wäre eine große Ehre, dass wir zu Besuch seien. Wir lassen uns mit mulmigen Bauchgefühl auf das Abenteuer ein und werden mit einer schönen Sanddüne vor ihrem Dorf belohnt. Annabelle tollt bis in die Nacht mit ihren Kindern über die sich bis zum Horizont erstreckenden Dünen und ist überglücklich. Die Jungs lassen sich immer und immer wieder mit uns fotografieren. Wir werden in ihr, wie hier üblich sehr heruntergekommenes Häuschen gebeten und bekommen Speis und Trank. Eine tolle Gastfreundschaft obwohl Kinder und Großeltern den Raum verlassen und nur Annabelle das Privileg bekommen hätte den anderen Raum zu betreten.
Wir übernachten direkt auf ihrem Hof, überstehen das nächtliche Saufgelage und bekommen dafür in der früh einen tollen Einblick in das traditionelle Dorfleben. Ganz in der Früh laufen alle Kamele von den verschiedenen Familien quer druchs Dorf und treffen sich am Dorfeingang um dann den ganzen Tag in einer Herde unbeaufsichtigt durch die Steppe zu laufen. Am Abend würden alle wieder freiwillig in ihre Ställe zurückkommen. Als Stefan vor unserer Abfahrt noch einmal mit Annabelle in die Dünen spielen geht, nutze ich die Möglichkeit den einzigen Englisch sprechenden, über die Gepflogenheiten der traditionellen Hochzeit zu befragen. Da wir zu dieser am Vorabend eingeladen wurden aber Aufgrund unseres engen Zeitplans absagen mussten. Das Gespräch ist interessant und er bietet mir an, mir vor unserer Abreise noch den Hof zu zeigen. Unter dem Vorwand, es gäbe ein Babykamel, lockt er mich in den Kamelstall und versucht mir, wie der andere Mann am Vortag, näher zu kommen. Ich beende die Sache so schnell wie möglich und renne zu Stefan. Ab jetzt brauche ich einen Beschützer- mit so einem Verhalten hätten wir nie gerechnet.
Ja, wir überlegen wieder unsere Eheringe zu tragen, auch wenn das bei dieser Dreistigkeit wohl kaum einen Unterschied machen würde.
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