Freitag, 13. September 2013

Andere Länder andere Kindererziehung



Windeln gibt es beispielsweise nur einzeln oder in winzigen Tüten im Dreierpack zu kaufen. Den Sinn dieser kleinen Verpackungseinheiten haben wir bisher nicht verstanden - ist die Windel eine Luxusprodukt, welches nur zu bestimmten Anlässen angezogen wird oder erscheinen die immensen Kosten der Anschaffung geringer, wenn man sie täglich einzeln mit dem Brot kauft. Wie so vieles konnten wir auch dieses Geheimnis, aufgrund der vorherrschenden Sprachbarriere, nicht herausfinden.

Kinder laufen meist ab dem Lauflernalter, in kleinen altersgemischten Grüppchen durchs Dorf und werden von den Größeren beaufsichtigt. Dieses entgegengebrachte Vertrauen, dass alles schon seinen Lauf nimmt, auch ohne ständige Beaufsichtigung und Kontrolle, spiegelt sich ebenfalls in ihrem Verhältnis zu Tieren dar. Auch diesen wird ein unglaubliches Maß an Eigenverantwortung zu gesprochen. In der Früh werden die Tore der Ställe geöffnet und die Kamele, Kühe und Pferde werden freigelassen. Es gibt keinerlei Zäune! Sie verbringen ihren Tag irgendwo in der Steppe, auf einer Hauptstrasse oder am Strand und keiner hat nur die geringsten Bedenken, dass ihnen etwas zustössen könnte. Selbst die Milchkühe, suchen sich die besten Grässer in der Weite der Steppe selbst. Es müssen keine südamerikanischen Regenwälder für den Anbau ihres unnatürlichen Sojafutters abgeholzt werden, sondern sie werden morgens und abends nach ihrer Rückkehr gemolken. Lustigerweise sahen wir einmal eine Scharr Frauen mit ihren Schemeln über die matschigen Felder laufen, um die Kühe an Ort und Stelle zu melken. Hier wir das Tier nicht zu einem optimierten Agrarprodukt, sondern wird als Lebewesen mit seinen Bedürfnissen anerkannt.

 Und diese eben beschriebene Einstellung zu Tieren, haben sie auch zu Kindern. Wenn sie hungrig sind, kommen sie schon wieder nach Hause und ansonsten gibt es ja noch allerlei andere Kinder die sich um ihre Sicherheit bemühen können. Dies ist keine einmalig beobachtete Situation, sondern ein gewohntes Bild in den verschiedenen, von uns durchreisten Ländern.

Diese Freiheit hat natürlich viele Vorteile, sie stärkt die Eigenverantwortung, das harmonische Miteinander, Selbstständigkeit, Fürsorge und schenkt den Eltern weit mehr Zeit und Freiheit. Auf der anderen Seite ist es fraglich, ob es ausreicht Kinder ohne Gefahrenbewusstsein von Kindern mit eingeschränktem Gefahrenbewusstsein betreuen zu lassen. Einem Einjährigen, der sich in Holperschritten voranbewegte, musste ich unter lautem Protest, einen Nagel, in der Länge seines linken Beines, aus der Hand ziehen…

Damit will ich weder sagen, dass Kinder und Tiere hier immer toll behandelt werden, sondern zum Nachdenken anregen, dass es auch läuft wenn man die Verantwortung mal aus der Hand gibt. Man sich mal zurücklegt und zusieht welche Fähigkeiten das Kind entwickelt, wenn man ihm nur etwas zutraut. Ja es läuft vielleicht nicht alles wie man es sich vorgestellt hat, aber man hat die Chance überrascht zu werden.

Annabelle beispielsweise läuft gerade selbstständig über den kasachischen Stein/Glasstrand, um sich die Hände im kasachischen Ozean zu waschen. Sie ist überraschenderweise nicht gefallen, hat saubere Finger und ist glücklich – ok ihre Schuhe und Hose triefen und das Risiko des Hinfallens auf Scherben bestand. Aber in einem Land, in dem das zerbrechen von Glasflaschen zum Volkssport zählt, könnte sie ansonsten keinen Schritt tun. Und als Kind, das mit einem Nestflüchter-Verstand, aber im Körper eines unfähigen Babys geboren wurde, war es von Anfang an sehr wichtig ihr soviel Eigenverantwortung wie möglich zu geben. Und mit jeder Fähigkeit die sie erlernte, erlangte sie mehr Selbstständigkeit und damit Zufriedenheit.

1 Kommentar:

Ninja, Roberto & Joel hat gesagt…

der letzte Satz hat mir besonders gefallen :) !