Windeln gibt es beispielsweise nur einzeln oder in winzigen
Tüten im Dreierpack zu kaufen. Den Sinn dieser kleinen Verpackungseinheiten haben
wir bisher nicht verstanden - ist die Windel eine Luxusprodukt, welches nur zu
bestimmten Anlässen angezogen wird oder erscheinen die immensen Kosten der
Anschaffung geringer, wenn man sie täglich einzeln mit dem Brot kauft. Wie so vieles
konnten wir auch dieses Geheimnis, aufgrund der vorherrschenden Sprachbarriere,
nicht herausfinden.
Kinder laufen meist ab dem Lauflernalter, in kleinen
altersgemischten Grüppchen durchs Dorf und werden von den Größeren
beaufsichtigt. Dieses entgegengebrachte Vertrauen, dass alles schon seinen Lauf
nimmt, auch ohne ständige Beaufsichtigung und Kontrolle, spiegelt sich
ebenfalls in ihrem Verhältnis zu Tieren dar. Auch diesen wird ein unglaubliches
Maß an Eigenverantwortung zu gesprochen. In der Früh werden die Tore der Ställe
geöffnet und die Kamele, Kühe und Pferde werden freigelassen. Es gibt keinerlei
Zäune! Sie verbringen ihren Tag irgendwo in der Steppe, auf einer Hauptstrasse
oder am Strand und keiner hat nur die geringsten Bedenken, dass ihnen etwas
zustössen könnte. Selbst die Milchkühe, suchen sich die besten Grässer in der
Weite der Steppe selbst. Es müssen keine südamerikanischen Regenwälder für den
Anbau ihres unnatürlichen Sojafutters abgeholzt werden, sondern sie werden
morgens und abends nach ihrer Rückkehr gemolken. Lustigerweise sahen wir einmal
eine Scharr Frauen mit ihren Schemeln über die matschigen Felder laufen, um die
Kühe an Ort und Stelle zu melken. Hier wir das Tier nicht zu einem optimierten
Agrarprodukt, sondern wird als Lebewesen mit seinen Bedürfnissen anerkannt.
Und diese eben
beschriebene Einstellung zu Tieren, haben sie auch zu Kindern. Wenn sie hungrig
sind, kommen sie schon wieder nach Hause und ansonsten gibt es ja noch allerlei
andere Kinder die sich um ihre Sicherheit bemühen können. Dies ist keine
einmalig beobachtete Situation, sondern ein gewohntes Bild in den verschiedenen,
von uns durchreisten Ländern.
Diese Freiheit hat natürlich viele Vorteile, sie stärkt die
Eigenverantwortung, das harmonische Miteinander, Selbstständigkeit, Fürsorge
und schenkt den Eltern weit mehr Zeit und Freiheit. Auf der anderen Seite ist
es fraglich, ob es ausreicht Kinder ohne Gefahrenbewusstsein von Kindern mit
eingeschränktem Gefahrenbewusstsein betreuen zu lassen. Einem Einjährigen, der
sich in Holperschritten voranbewegte, musste ich unter lautem Protest, einen
Nagel, in der Länge seines linken Beines, aus der Hand ziehen…
Damit will ich weder sagen, dass Kinder und Tiere hier immer
toll behandelt werden, sondern zum Nachdenken anregen, dass es auch läuft wenn
man die Verantwortung mal aus der Hand gibt. Man sich mal zurücklegt und zusieht
welche Fähigkeiten das Kind entwickelt, wenn man ihm nur etwas zutraut. Ja es
läuft vielleicht nicht alles wie man es sich vorgestellt hat, aber man hat die
Chance überrascht zu werden.
Annabelle beispielsweise läuft gerade selbstständig über den
kasachischen Stein/Glasstrand, um sich die Hände im kasachischen Ozean zu
waschen. Sie ist überraschenderweise nicht gefallen, hat saubere Finger und ist
glücklich – ok ihre Schuhe und Hose triefen und das Risiko des Hinfallens auf
Scherben bestand. Aber in einem Land, in dem das zerbrechen von Glasflaschen
zum Volkssport zählt, könnte sie ansonsten keinen Schritt tun. Und als Kind,
das mit einem Nestflüchter-Verstand, aber im Körper eines unfähigen Babys
geboren wurde, war es von Anfang an sehr wichtig ihr soviel Eigenverantwortung
wie möglich zu geben. Und mit jeder Fähigkeit die sie erlernte, erlangte sie
mehr Selbstständigkeit und damit Zufriedenheit.
1 Kommentar:
der letzte Satz hat mir besonders gefallen :) !
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