Samstag, 5. Oktober 2013

Tien Shan – Auf ins Himmelsgebirge

J: Da wir über den Torugart Pass in 3700 m Höhe nach China einreisen werden, machten wir uns schon Tage zuvor Gedanken darüber, wie wir uns am besten an die Höhe gewöhnen können. Kleine Kinder unter 3 Jahren haben anscheinend schon ab 1500 m Probleme mit der Höhenanpassung. Um uns auf die kommende Überquerung der Himmelsberge vorzubereiten, luden wir uns verschiedene Höhenprofile herunter und verglichen sie mit den elektronischen- und Papierkarten. Wir planten, wie empfohlen mehrere Tage zuvor aufzubrechen, um gut verträgliche 500 Höhenmeter pro Tag zurückzulegen.

Auf dem Weg vom Issyk Köl rasteten wir an einem Bergsee mit stark gesunkenen Spiegel, mitten in einer Steinwüste, in der trotz der vorhandenen Wasserquelle, kein einziges Pflänzchen zu gedeihen schien. Als wir nach dem waschen unserer „Pferdehosen“ und dem backen eines leckeren Apfelkuchens (aus selbst gesammelten Äpfeln), aufbrachen Richtung Berge, kletterten gerade noch die letzten Sonnenstrahlen über die kargen Bergwände. Doch einen ungeplanten Zwischenhalt ließen wir uns dann doch nicht nehmen, auf und links und rechts der Straße tummelte sich eine rießige Herde Kamele. Diese majestätischen Tiere, die man meistens nur aus dem Zoo kennt, haben eine stattliche Größe wenn sie vor einem stehen. In Kasachstan strickten Omis Socken aus ihrem Fell und das aus einem guten Grund, ihr Fell ist so dicht und kuschelig weich, wie kaum eines anderen Tieres. Annabelle und ich streichelten die süßen Geschöpfe und uns viel, wie bei schon vielen anderen Tierarten auf, dass einige ihre Vorderbeine mit Stricken zusammengebunden hatten und sie sich somit nur hüpfend voranbewegen konnten. Zum Teil reiben sich diese Stricke tief in die Haut und das Tier hat bei jeder kleinen Bewegung große Schmerzen in der blutenden Wunde. Warum die Hirten, diese so brutale Fesseltechnik praktizieren ist uns ein Rätsel. Die Wunden können sich infizieren und außerdem besteht die Gefahr, dass die Tiere stolpern und sich die Beine brechen. Im Allgemeinen haben die Tiere zwar ein sehr schönes Leben, weil sie frei herumlaufen können, aber auf der anderen Seite werden sie von den Menschen mit Steinen und Peitschen maltretiert. Das Tier ist ein Nutztier und die Menschen haben keine liebevolle Beziehung zu ihnen.

Wir versuchten also in einer Rettungsaktion die Fesseln, des verletzten Tieres zu durchtrennen, wurden jedoch immer wieder durch haltende Autos gehindert. Nach dem ein Kamelbulle auf zwei Junge Männer losging und anscheinend auch unsere Kameldame zu verteidigen schien, brachen wir die Rettungsaktion schweren Herzens ab. Bekanntschaft mit einem schnaubenden, röhrenden mindestens 800kg Kamelbullen zu machen, war uns dann doch zu heikel. Er mandelte sich noch hinter unserem Fahrzeug auf, aber wir fühlten uns im Fahrzeug sicher. Er hatte ja schließlich keine Hörner, wie die Kuh die uns am Balchachsee in Kasachstan von hinten rammte…

Die letzten Sonnenstrahlen waren nun gänzlich hinter den Bergrücken verschwunden, als wir uns schließlich mit vielen „Baca Baca“ von den Kamelen verabschieden konnten. Ja, Annabelle spricht ein bißchen Russisch, aber auch Englisch und Deutsch, mal sehen welche Wörter sie in ein paar Tagen in China aufschnappen wird..

Wir planten also 500 Höhenmeter bis zu unserem Übernachtungsplatz zurückzulegen, jedoch stellte sich der erste Abschnitt als relativ flach aber äußerst schlecht geteert dar. Dann ging es plötzlich über Rüttelpisten, vorbei an etlichen einspurigen Baustellen über Naturstraßen, hoch in die Berge. Es gab keine Möglichkeit zu halten, geschweige den ruhig zu übernachten und so fuhren wir unentwegt bis 3038 Meter auf den Dolon Pass hinauf. Stefan und ich bildeten uns wegen der 1350 Meter Höhenunterschied, Kopfschmerzen ein, Annabelle hingegen ging es blendend und an Schlaf war nicht zu denken, da wir ihr ja den frische gebackenen Kuchen bei Ankunft versprochen hatten. Nach unserem Reittrip hatten wir solchen Muskelkater, dass wir bei jedem Schlagloch aufstöhnten. Es hätte auch 11 Tages Reittrips gegeben, da Stefan nach einer Stunde vor Schmerzen nur noch lachte und ernsthaft überlegte den Rückweg zu Fuß zu laufen, ist es für uns unvorstellbar wie unser Körper nach 11 Tagen geschunden wäre..

Auf Grund des großen Höhenunterschieds, mussten wir natürlich auch wieder vom Berg runter und fanden schließlich unseren Übernachtungsplatz, als wir einen steilen Berghang zu einer kleinen Wiese an einem Bergbach direkt unter einer großen Felswand abbogen. Bei 2306 Metern genießen wir um 22 Uhr endlich unseren wohlverdienten Apfelkuchen...

2 Kommentare:

Ninja, Roberto & Joel hat gesagt…

Tja ja, und da will noch einer Sagen, Reiten wär nicht anstrengend und sei kein Sport.
Ganz im Ernst, ich bewunder euch, dass ihr so lang durchgehalten habt und kann Stefan verstehen. Trotzdem hätte ich den 11 Tage Trip gewählt ;) !!!
Und was war mit Annabelle, hat sie geklagt?

Das mit den Kamelen sowie auch anderen Tieren, die gehobbelt ( so nennt sich das Fesseln)werden, ist das wirklich eine traurige Sache. Man sieht leider auch viele Berber (aus den Ursprungsländern), die die Narben dieser "Haltungsform" mit sich tragen. Oft ist es so, dass die Tiere anfangs gehobbelt werden, damit sie sich an "ihren Platz" gewöhnen und später dann auch ungefesselt nicht weiter weglaufen. Dies konnte ich sogar in Sizilien beobachten. Zäune bauen ist halt dort bei euch ein Ding der Unmöglichkeit. Hmmm schwer, man kann es wohl nur akzeptieren, dass andere Länder andere Sitten mit sich bringen. Ich wie ihr ja schon gesagt habt, es hat ja auch Vorteile, die Tiere können sich "frei" bewegen.
Lecker Apfelkuchen, ich krieg Hunger (um halb zwei Nachts)!!!!

Anonym hat gesagt…

Ali, brauche Lesestoff!
Hänge hier in München (Netapp-Schulung) im Hotel und langweile mich!
Viel Spaß euch bei viel interessanteren Dingen :)

Kzee