Dienstag, 29. Oktober 2013

Back to the future – oder der Sprinter der aus der Zukunft kam

S: Es ist unser zweiter Tag in China. Am Morgen machen wir uns auf den Weg zur Automobil-Zulassungsbehörde um unsere chinesischen Führerscheine und das obligatorische Kennzeichen zu bekommen. Ohne die Hilfe von Spring, unserem Guide, wäre dies meiner Meinung nach ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Das Treiben vor Ort ist noch nicht mal ansatzweise mit dem einer deutschen Zulassungsbehörde zu vergleichen:
Wir fahren auf das riesige Gelände der Behörde außerhalb von Kashgar und mein erster Eindruck ist, dass dies auch ein riesiger Basar zum An- und Verkauf von Gebrauchtwagen sein könnte. Alles spielt sich draußen unter freiem Himmel ab. Spring verschwindet für eine Weile, wir treffen unsere Freunde aus Südafrika wieder (ja, die Welt ist klein), müssen unsere Fahrzeuge ein paar Mal umparken und dann bildet sich auf einmal eine riesige Traube von Menschen um unsere Fahrzeuge. Es werden Fotos gemacht, Fahrgestellnummern kontrolliert und unser Sprinter muss mit zusätzlichen Reflektorstreifen versehen werden. Jetzt ähnelt er eher einem Baustellenfahrzeug als einem Camper. Die Traube der Menschen wird größer. Es ist unmöglich die „Offiziellen“ unter den herumstehenden Menschen zu identifizieren, weil jeder irgendwo, irgendwie rumfummelt und Fotos von wirklich allem macht (auch solchen nicht wirklich zulassungsrelevanten Dingen wie dem Bobbycar auf der Rückseite unseres Fahrzeugs). Zwischendurch taucht immer wieder Spring auf, scheucht Leute umher oder kümmert sich darum, dass es voran geht. Es wird wieder wild geschrien, rumgestikuliert und ich darf unser Fahrzeug in die „Vehicle Inspection Hall“ fahren. Hier werden u.a. das Gewicht und die Bremsen kontrolliert (oder ich glaube das zumindest, weil ich auf den diversen Anzeigen und Displays auf Grund der chinesischen Schriftzeichen nichts erkennen kann). Außerdem werden die Scheinwerfer überprüft. Hier haben sich die Chinesen etwas ganz interessantes einfallen lassen:
Dieser, vom deutschen TÜV bekannte Kasten mit einem Spiegel, der vor den Scheinwerfer geschoben wird, wurde hier auf ein Schienensystem verlagert. Dieser fährt jetzt automatisch vor dem Fahrzeug hin und her, die Scheinwerfer werden vollautomatisch erkannt und dann darauf einstellt, ganz ohne manuellen Eingriff. Zumindest sollte dies so in der Theorie sein. Als die Sprinter-Scheinwerfer überprüft werden, versucht dieses Gerät höchster chinesischer Ingenieurskunst, wie verzweifelt unsere Scheinwerfer auszumachen. Vermutlich auf Grund der Höherlegung gelingt ihm dies aber nicht, und so entscheidet sich das bestimmt 100 kg schwere Gerät dann auf einmal seine Schienen zu verlassen, aus diesen herauszuspringen (was der Erfinder der Konstruktion sicherlich so nicht vorgesehen hatte), und macht sich selbständig auf dem Weg zur anderen Seite der Halle (wo sich eine weitere Prüfeinrichtung befindet). Gestoppt wird das Verlangen, die andere, offensichtlich gut befreundete Scheinwerferprüfeinrichtung zu erreichen, aber leider durch ein zu kurzes Stromkabel. Unter kräftigem Knarren und Knarzen verharrt es dort für einige Sekunden bis es von ein paar Männern wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückgetragen wird. Die Scheinwerferüberprüfung wird kurzerhand übersprungen und nach etwas zwei weiteren Stunden erhalten wir dann, schlussendlich unsere lang ersehnten chinesischen Führerscheine und Kennzeichen.
Ein weiteres lustiges Highlight ereignete sich dann noch zu später Stunde auf unserem Hotelparkplatz (wir haben uns nämlich dazu entschlossen für die ersten beiden Übernachtungen in China ein Hotel zu buchen, dass Zweite auf der gesamten Reise):
Ich war gerade dabei die Standheizung wieder vom Ruß zu befreien und ließ diese dafür für ein paar Minuten laufen, ohne den beißenden Geruch im Innenraum ertragen zu müssen. Parallel dazu füllte ich mit mehreren Wasserkanistern unseren Wassertank von außen wieder auf. Der dichte, weiße Nebel wurde von mehreren Scheinwerfern erhellt und der Security-Dienst fragte kurz nach, ob denn mit dem Wagen auch alles in Ordnung wäre. Einen Moment später tauchten mehrere Chinesen hinter dem rauchenden Fahrzeug auf und wollten gerade in ihr Fahrzeug steigen. Irgendwie aber erregte der rauchenden Sprinter ihre Aufmerksamkeit, und die fünf Chinesen versammelten sich fragend um mich. Ich fragte kurz nach, ob ich ihnen helfen könnte, aber keiner der Anwesenden sprach auch nur ein Wort englisch. Also schüttete ich weiter kräftig Wasser in den Tank und stellte den leeren Kanister anschließend auf den Boden. Kaum abgestellt, wurde der Kanister von einem der Chinesen angehoben und es wurde kräftig daran gerochen. Jeder der Chinesen wollte einmal riechen. Dann wurde kräftig diskutiert und gestikuliert und auf den nächsten Kanister, den ich gerade einfüllen wollte, gezeigt. Ich versuchte zu erklären, dass es nur Wasser wäre, aber so weit kam ich gar nicht: Alle wollten ihren Finger in das Wasser stecken um anschließend erneut daran zu riechen und zu schmecken. Anschließend tauschten sich die Anwesenden wieder hektisch aus. Ich verstand die skurrile Situation zu Beginn überhaupt nicht bis es auf einmal „Klick“ machte:
Der Rauch, der Krach von der Standheizung und das Einfüllen des Wassers in den Tank: Die Chinesen mussten glauben, dass unser Fahrzeug mit Wasser fahren würde!
Und genau diese Situation erinnerte mich an eine Szene aus „Zurück in die Zukunft“ als der DeLorean (die Zeitmaschine) in einer weißen Nebelwolke gehüllt aus der Zukunft kommt und von Doc Brown wieder mit Abfällen gefüttert wird und für die nächste Reise vorbereitet wird.
Ich überlegte kurz die Verwirrten in diesem Glauben zu lassen, entschloss mich dann aber trotzdem die ganze Situation aufzuklären, indem ich der Gruppe eine kurze Führung durch das Wageninnere anbot.
Später überlegte ich noch, ob es vielleicht nicht doch besser gewesen wäre den Chinesen zu erklären, dass das Fahrzeug tatsächlich nur mit Wasser fahren würde:
Vom Ehrgeiz gepackt hätten die fleißigen Chinesen dann bestimmt in weniger als einem halben Jahr selber ein solches Fahrzeug entwickelt…. :-)

1 Kommentar:

Ninja, Roberto & Joel hat gesagt…

Oh man, das ist ja zum abschießen!!! Hahahaha, schade wirklich, dass du ihnen die Wahrheit gesagt hast.
Aber diese Scheinwerfermaschine ist ja auch nicht schlecht, ich habe es bildlich vor meinen Augen gehabt ;)