Samstag, 5. Oktober 2013

Kirgistan - das Land der Pferde

J: Kirgistan überrascht uns mit seinen aufmerksamen und gastfreundlichen Menschen. Jeder, wirklich jeder dreht sich um wenn wir angefahren kommen, die Leute winken, lachen oder stehen mit offenem Mund verwundert dar. Besonders in abgelegenen Regionen kommen sehr selten Fremde geschweige denn Touristen vorbei. Die letzten die vor uns den Grenzübergang passierten, waren unsere Österreicher Freunde aus Almaty, die zwei Tage zuvor die Grenze passierten. Für die Menschen ist es noch eine Ehre, dass wir in ihr Gebiet kommen und jeder möchte uns gerne in seine Jurte einladen. Uns wird essen, ein Übernachtungsplatz und ihre Pferde angeboten, es ist Herz erwärmend. Viele Leute fahren mit Pferdewägen herum und für die Reiter gibt es oft wie selbstverständlich einen Trampelpfad neben der Straße, wie in Deutschland einen Fahrradweg. Die Menschen graben hier noch mit den Händen nach Kartoffeln, schneiden das Gras mit der Sichel oder arbeiten mit äußerst rudimentären landwirtschaftlichen Geräten. Es ist ein wunderbares Bild des einfachen Lebens, wo jeder jedem hilft und die Menschen in kleinen Grüppchen dicht gedrängt um ihr gemeinsames Mahl am Ackerrand sitzen. Kinder sind wie selbstverständlich mit bei der Arbeit, ob bei der Obstverkäuferin, den Feldarbeitern oder beim Cowboy auf dem Pferd. Spätestens ab vier Jahren reiten die Kleinen selbsständig, wenn sie ein älteres Geschwisterchen haben auch schon mit zwei Jahren. Die „Puschelkinder“ wie ich die Schulkinder hier getauft habe, klettern in der früh aus ihren heruntergekommenen Hütten im feinsten Zwirn. Die Mädchen sehen aus wie Zimmermädchen, mit ihren Spitzenschürtzen und den rießigen weißen „Puscheln“ im Haar. Die Jungen laufen in einer Art Anzug herum und wer besonders cool ist, steht mit seinem Esel umringt von Mitschülern vor der Schule.
Wie in den vorherigen Ländern auch, verkaufen die Läden fast alle das gleiche. Ein Minimarkt neben dem anderen mit exakt dem gleichen Inventar. In einer Gegend werden nur Äpfel verkauft, in der nächsten nur Stutenmilch und kleine undefinierbare weiße Kugeln. Varietät zu den Nachbarn ist hier verpönt, gleich neben gleich ist hier das Motto.
Wir müssen unsere Route ändern, da es nur an vier Banken im Land möglich ist mit Mastercard bzw. Maestro abzuheben. Doch der Abstecher in den Norden lohnt sich und wir genießen das Wiedersehen mit unseren Schweitzer Freunden, die wir zuletzt in München kurz vor unserer Abreise getroffen hatten. Zusammen mit einem weiteren Schweitzer Backpacker Pärchen verbringen wir ein paar Tage Strandurlaub in einem schönen Resort.
Wir erfahren unter anderem, dass Ihnen unterwegs bereits eine Flasche Wasser gefroren ist, was uns darin bestätigt wärmere Sachen kaufen zu wollen. Wir decken uns mit warmen Unterziehhosen und Wollsocken ein und frieren trotzdem in den kommenden Nächten. Die Standheizung wird unser bester Freund und wir müssen Annabelle immer öfter zu uns ins Bett holen, was sie inzwischen dankend annimmt.
Wir umrunden den zweitgrößten Bergsee der Welt und genießen sein mediterranes Klima in vollen Zügen. Im Land der Pferde, darf natürlich ein Reitausflug nicht fehlen. Wir überlegen einen der unendlich vielen Pferdehirten anzusprechen und uns von ihm ein Pferd zu leihen, entscheiden uns aber dagegen weil wir hoffen ein, an unerfahrene Touristen gewöhntes Pferd zu bekommen. In Karakol in der Touristeninformation werden wir schließlich fündig und buchen einen Trip für den nächsten Tag. Die Wegbeschreibung war aber wie immer sehr dürftig und auch nach mehrmaligen Nachfragen konnte uns der Ort nicht auf der Karte gezeigt werden. Man muss dazu sagen, dass die Leute hier mit Karten nichts anfangen können. Erstens gibt es keine zu kaufen und zweitens besitzen nicht mal Taxifahrer welche. Und wenn man doch so blauäugig seien sollte und einem Kirgisen oder Kasachen eine Karte zeigen sollte, dann drehen und wenden sie diese zich mal, schauen dann ungläubig und schütteln den Kopf. Das Sahnhäubchen ist aber der Umgang mit elektrischen Karten diese werden gedreht, gewendet, es wird auf irgendetwas gezeigt und am Schluss das Gegenteil mit der Hand gezeigt.
Wir machen uns also mit der Wegbeschreibung: „rechts dann die nächste Straße links runter und dann bei der Moschee links und dann noch 10 Minuten Fahrt“, auf den Weg den „Reiterhof“ zu finden. Von Anfang an, ein Ding der Unmöglichkeit..
Wir kurven schließlich nachts, über Stunden hinweg über irgendwelche katastrophalen Feldwege und geben irgendwann nach etlichen Befragungen der örtlichen Bevölkerung, die alle den Weg kennen, ihn uns aber nicht beschreiben können, erschöpft auf und parken am Wegesrand.
In der Früh um 6:30 Uhr werden wir von lautem klopfen wach. Die vergebens gesuchte Hausherrin, steht mit zwei feinstens herausgeputzten Puschelkindern vor dem Fahrzeug und erklärt uns den Weg zu ihrem Haus. Stefan fragt sich ungläubig von welchen zwei Straßenoptionen sie redet, da er beim besten Willen, nicht eine  Straße ausmachen kann. Durch ein Flussbett und quer durch eine Schafherde finden wir den ersehnten „Hof“ schlussendlich.
Von Pferden keine Spur, doch macht sich der Guide, während wir beim Frühstück sitzen, mit einem Sattel bewaffnet auf in die Berge. Die Erde bebt, als er mit einem Hengst den Hügel heruntergalloppiert kommt und wir hoffen nur, dass dies nicht unser „lazy and slowly“ Anfängerpferd ist.
Wir schwingen uns gekonnt auf die Pferde und Annabelle wird mit Helm in ihrer Manduca festgeschnallt. Los geht’s und der Guide hat den gelben Post-It Zettel, den wir ihm in die Hand gesteckt hatten, richtig verstanden. Annabelle und mein Pferd, war das langsamste Pferd auf diesem Planeten und somit perfekt. Der Guide versuchte anfänglich noch uns dazu zu animieren schneller zu laufen und dem Pferd die Weidenrute spüren zu lassen. Aber durch Stefans wiederholtes Daumen hoch und ein breites Lächeln verstand er, dass wir mit dem Reisetempo zufrieden waren.
Es ging durch Bachläufe, in denen wir durch die kurzen Zügel beinahe das erste Mal aus dem Sattel fielen, als das Pferd sich entschied ausgiebig zu trinken. Vorbei an wild bellenden Hunden, steile Berghänge hinauf und hoch auf mit Vodkaflaschen übersehte Bergwiesen. Ja man sieht, was die Hirten hier oben machen, wenn es sonst nichts zu tun gibt…
Auf dem Weg trafen wir weitere Hirten zu Pferd, unter anderem einen mit seinem zweijährigen Sohn, der wie selbstverständlich ohne irgendwelche Halterungen bei seinem Vater mit im Sattel saß und die Peitsche verwaltete…
Auf dem Rückweg saß Annabelle bei Stefan in der Manduca und beide wurden kräftig durchgeschüttelt. Wir beide wünschten uns ein Kissen unter dem Hintern und waren froh nur 2 Stunden gebucht zu haben.
Entlang des Südufers machten wir dann noch einen Abstecher, zu einer von Freunden und vom Touristenbüro wärmstens empfohlenen heißen Quelle. Die Anfahrt über die von „Corrugation“ und großen Steinen übersäten Strecke, gestaltete sich als langwierig. Wir trotzten den vielen kleinen Wasser- und Matschdurchfahrten, wurden aber zu guter letzt von einer mehrfach eingebrochenen Brücke von der Weiterfahrt gehindert. Um den Weg nicht umsonst gefahren zu sein, liefen wir die letzten Kilometer zu Fuß durch ein pittoreskes Bergtal entlang eines Flusses.
Dort angekommen erwarteten uns ein paar einsame Ruinen mit offen stehenden Fenstern und Türen. Zwei in die Jahre gekommen Hottubs gab es noch, allerdings mit kühlem Wasser, sollte das alles gewesen sein?
Stefan öffnete eine uralte, braune Eisentür ohne Griff und wurde von einem beißenden „Faule Eier“ Schwefelgeruch übermannt. Wir trauten uns nur mit vorgehaltenem Tuch, die vergammelten, verschimmelten Räume zu betreten. Die ersten zwei waren leer und hatten nur ein kleines Loch mit einer Holzabdeckung darüber im Boden. Der letzte mit Spinnweben umrahmte Raum enthielt ein schwarzes Naturstein Becken mit heißem Wasser. Wir öffneten die Fenster und überlegten eine Weile, ob wir den Weg umsonst gelaufen seien und entschlossen uns schlussendlich dem Pool eine Chance zu geben. Der Untergrund war so schwarz, das es auch ein Haifischbecken hätte seien können oder irgendetwas anderes aus einem Gruselfilm im nächsten Moment aus der Tiefe empor steigen hätte können. Wir wagten uns vorsichtig mit den Zehen ins Wasser und genossen die Wärme des stinkenden leicht sprudelnden Wassers. Unsere Logik war die, dass durch das ständig nach sprudelnde Wasser, die Wasserqualität nicht so abgestanden seien konnte.
Das Bad war herrlich und beschwingt rannten wir den Weg zurück. Wir hatten plötzlich soviel Energie und fuhren in der Nacht noch zich Kilometer den See entlang, bis wir unser Nachtlager an unserem früheren Lieblingsspot ein zweites Mal aufschlugen. In der Früh wurden wir mit einem wunderschönen Blick über das „kirgisische Meer“ belohnt und picknickten entspannt am Strand.
 

1 Kommentar:

Ninja, Roberto & Joel hat gesagt…

ohhh, das hört sich ja so an, als würde jemand von einem Traum erzählen.
Es freut mich, dass ihr reiten wart. Hat es euch denn auch gefallen? Bis auf die wunden Hintern, selbstverständlich!;)
Was hat Annabelle zu den Pferden und zum reiten gesagt?