Samstag, 23. November 2013

Yunnan

J: Die Hähne krähen um die Wette, Annabelle tritt wild um sich und die Dunkelheit ist andauernder als anderswo, weil wir mitten im Urwald in einem kleinen Bungalow übernachten. Die Lüftungen des neuen Megabunkers surren mit den Zikarden um die Wette und das noch vor kurzem einsam über dem Mekong liegende Gelände, wird nun bis nachts neonbeleuchtet und von Musik beschallt. Hier wurde versucht von Scratch eine Oase zu schaffen in der bedrohte Pflanzen und Baumarten, als Teil eines größeren Artenerhaltungsprojekts, Zuflucht finden sollten. Doch wie vielerorts wird das Wohl vieler über das Wohl einzelner gestellt und es gibt keine Volksabstimmung, wo, wie hoch, wie grell oder laut ein neues Bauwerk gebaut werden darf.

Wir sahen auf unserer Fahrt über neue Autobahnen, immer wieder ganze Täler die einfach überbaut wurden- einst lagen sie romantisch einsam inmitten grünbewachsener Berge, nun rattern laute Trucks über ihre Köpfe und ihre Häuser liegen im Schatten. Die Leute haben als einzigen Ausweg, die Möglichkeit ihre Einstellung zu ändern und den Fortschritt stillschweigend zu akzeptieren. Im Falle der Autobahnen profitieren die kleinen Bauern in keinerlei Hinsicht, denn es gibt für sie weder eine Autobahnauffahrt noch könnten sie sich je leisten auf eine dieser Mautstrecken zu fahren geschweige den, dass ihre Roller und TukTuks auf diesen Straßen sowieso verboten sind. Das verlassen einer Mautstraße ohne korrekte Entrichtung des Mautbetrages zieht eine lebenslange Haft nach sich…

Als wir eines Tages von einer Mautstraße abfuhren, da die chinesischen Zeichen teilweise abgeklebt waren, aber die englischen uns eine Abfahrt ankündigten, konnten wir durch eine Baustelle ohne Probleme die Mautstraße verlassen. Entschieden uns dann aber trotz Übermüdung wieder auf die Autobahn zu fahren, da wir vor diesem Gesetz doch einen gebührenden Respekt hatten. Danach irrten wir stundenlang nachts durch den unbeleuchteten, aber höchst wuseligen Straßenverkehr um einen geeigneten Stellplatz zu finden, der hier zwischen Steilwänden, Häusern und sumpfigen Felder fast unmöglich zu finden war. Wir campierten schließlich auf einem Feldweg bis uns der Rauchmelder um 4:30 zusammen mit den bellenden Hunden der Nachbarhütte unsanft aus unserem Schlaf riss und zu einem frühen Tagesstart animierte.

Auf unserer Fahrt nach Dali entschieden wir uns, die um einiges kürzere Landstraße zu nehmen und bereuten dies schon kurze Zeit später. Die Straßenverhältnisse erinnerten uns stark an Kasachstan. Rein rollen ins Loch, raus und rein ins nächste Loch, langsamer als Schritttempo quälten wir uns so stundenlang zusammen mit hunderten Kohlelastern hoch in die Berge und die Straße schien kein Ende zu nehmen. Bis die Straße plötzlich wegen Bauarbeiten auf einer Brücke, vollkommen gesperrt war. Wir waren mit den Nerven am Ende und schlugen unser Nachtlager deshalb einfach in der nächsten Kohlegrube vor großen Sieben auf. Wir brachen wieder früh auf und fuhren weiter über enge Bergsträßchen vorbei an pituresken Feldern und kleinen Häuschen. Doch die engen kurven und Serpentinen nahmen für 2 Tage kein Ende, auch die Mittagspause mit Blick über einen schönen See, umrahmt von vielen kleinen Minderheitenhäuschen, konnte uns nur teilweise für die harte Strecke entschädigen. Oh wie lieben wir doch unsere neuen Autobahnen, wir versuchen uns vorzustellen wie eine Chinadurchquerung über 8000 Kilometer wohl ohne Autobahnen ausgesehen hätte. Unmöglich! Vielleicht mit einem halben Jahr Zeit…und Nerven wie Drahtseilen..

Wir rollen schließlich nachts in das grell neonbeleuchtete Neu Dali und erfreuen uns wie jedes Mal über dieses beeindruckende Spektakel. Wir hatten uns zuvor in ein fünfsterne Hotel eingebucht, um uns nach diesen Strapazen nicht noch auf die Suche nach einem geeigneten Hotel zu machen. Der Check-In stellte sich als langwierig und ärgerlich heraus aber wir lagen schließlich auf unseren weißen Lacken und genoßen in der Früh ein teils westliches Frühstück. Die nächste Nacht verbringen wir auf dem Hotelparkplatz bis wir uns für die kommenden Nächte in ein superbes Guesthouse einmieteten.

Das Jade Emu und Jade Roo Guesthouse bietet Zimmer für nur 110 Yuan an, wenn man bedenkt, dass wir für den Hotelparkplatz schon 40 Yuan zahlen mussten. Dafür konnte Annabelle auf dem gut ausgestatteten Spielplatz auf unserer Terrasse ausgelassen spielen und springen. (Was eine absolute Neuheit ist seit wir nach China eingefahren sind, gab es keine öffentlichen Spielplätze mehr, zugegeben sie waren davor schon Mangelware, aber gerade hier hatten wir uns mehr Möglichkeiten für kleine Kinder vorgestellt). Der Spielplatz war also goldwert und mit den Kindern der Besitzer konnte sie Monsterkitzelspiele spielen, wild schreiend um einen Drachen kämpfen oder auf Wunsch des Sohnes- ein Ballerinabuch in der großen Englischen Bibliothek lesen. Wir kamen in den Genuss mal wieder das Babyphone einschalten zu können und etwas ohne Annabelle zu unternehmen. Denn es gab sowohl eine Bar, Restaurant, Billard- und Tischtennistisch als auch eine DVD Sammlung.

Wir ließen es uns in Dali so richtig gut gehen, schlemmten uns durch diverse Straßenstände und genossen besonders die Leckereien der Bäckerei 88. Diese deutschen Backwaren retteten unsere Geschmacksknospen. Wir aßen Himbeerkuchen, Schoko und Käsekuchen. Es gab endlich wieder Käsebrot mit Butter. All die Leckereien die wir solange vermisst hatten..

Wir waren kurz davor ein Lied zu ehren dieser Bäckerei zu komponieren. Es fühlte sich an wie eine innere Bauchmassage…

Da der siebtgrößte See Chinas nur einen Steinwurf entfernt lag, mieteten wir uns Fahrräder und radelten über Gemüsefelder und durch winzige Gässchen der traditionellen Dörfer entlang des Sees. Auf einer Terrasse die auch am Meer hätte liegen können, genossen wir ein Sichuan -chinesisches Essen und radelten voll wiedergewonnener Freiheit den See zurück Richtung Stadt. Wir wären gerne länger geblieben, doch mussten wir uns wieder weiter auf unsere Weiterreise begeben.

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