Samstag, 23. November 2013

Wenn ich an China denke...

J: .. denke ich an eine mystische Verhaftung im Scheinwerferlicht inmitten eines Flusses. An Menschen die mühevoll ihre Ernte sieben, um sie danach breitflächig auf die Straße zu schütten um sie dort zu trocknen. Ich denke an all die ausgebissenen Zähne wenn die Leute die Steine in ihrem Essen bemerken. Und daran wie diese bei Zahnärzten gerichtet werden müssen, die ihre Behandlungsstühle im Schaufenster stehen haben, damit alle Passanten die Leidenden beobachten können.

Ich denke an LKW Fahrer die laut hupend durch kleine verschlafene Dörfer rasen, damit die auf der Straße sitzende Bevölkerung noch rechtzeitig ihre Arbeit niederwerfen kann (z.B Felle gerben, Kaffeekränzchen halten oder jegliche Arbeit die einen festen Untergrund benötigt). Sie machen keine Anstalten zu bremsen und man fragt sich wie entspannt und gemächlich das Leben vor diesen rollenden Monstern aussah.

China bedeutet auch Ganztagesschulen und am Abend und Wochenende sieht man die Kinder ebenfalls, ob im Schuhladen oder Imbiss, an kleinen Tischchen ihre Hausaufgaben erledigen. Die Kinder müssen oft ganze Bücher auswendig lernen, es werden ihnen jedoch niemals fragen zum Inhalt gestellt, es wird lediglich erwartet das Gelernte in seiner Ursprungsform wiederzugeben. Wenn die Kinder nicht spuren gibt es eben einen Klaps.

Im Allgemeinen ist es ein sehr friedliches Volk, in deren Gegenwart wir uns nie unsicher oder bedroht gefühlt haben. Allerdings merken wir immer wieder, das bei Konflikten das Aggressionspotenzial gerne überschäumt. Ob bei diversen Autounfällen, wo sich wild angeschrien wird und auch schon mal eine Faust einer Frau im Gesicht eines Mannes landete oder beim Streit über ein Tiefkühlprodukt, bei dem sich die anderen Einkäufer ängstlich hinter den Regalen verstecken und eine körperliche Auseinandersetzung nur ein haarbreit entfernt lag.

Ich denke an Businessmänner die sich selbst im vier Sterne Hotel geräuschvoll ihres Rachenschleims entledigen. An zarte Ladys die graziös die Straße hinunter stolzieren und ihren männlichen Kollegen in nichts nach stehen. In den besseren Hotels gibt es für diese Angewohnheit, Sand gefüllte Behältnisse in die das Hauswappen gestempelt wird. In den einfachen Straßenrestaurants gibt es dafür sogenannte „Spuckeimer“. Selbst in guten Restaurants sind die Tischdecken mit einer Plastikdecke überdeckt, da ob jung ob alt ob reich ob arm, alles Ungenießbare (und davon scheint es eine Menge im chinesischen Essen zu geben), einfach auf den Tisch spucken. Dies geht natürlich mit allerlei Geräuschen einher und auch die sonstige Nahrungsaufnahme gestaltet sich als auditorisch vielfältig. Was mich bei den ersten Restaurantbesuchen kaum einen Brocken hat schlucken lassen, weil ich mir die ganze Zeit das Lachen zu verkneifen versuchte. Und mich fühlte wie bei der „Versteckten Kamera“. Schlürf, Rulps, Gurgel, Pups – Schlürf. Andere Länder andere Sitten – die Nase schnäuzen gilt beispielsweise genauso wie niesen als sehr unhöflich.

Wenn ich an chinesische Kleinkinder denke, denke ich unweigerlich an blanke Hintern. Die Kinder werden daher meist mit dem Rücken an den eigenen Bauch getragen, ob beim Hocken am Straßenstand oder beim Stadtbummel. Die Kinder werden in regelmäßigen Abständen mit einem surrenden Geräusch zum Pinkeln gehalten. Wie in den Ländern zuvor, gilt die Windel als absolutes Luxusprodukt und man sieht fast nie ein Kind mit einer. Selbst kleine Babys haben höchstens ein kleines Tuch in den Schritt gelegt. Daher gibt es fast nur in internationalen Supermärkten Babytücher und Pampers zu kaufen. Trotzdem ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen herauszufinden, womit die Kinder nach ihrem Geschäft auf der Straße gesäubert werden.

Man muss dazu sagen, dass der Umgang mit Kindern je nach Gegend stark variiert. In den Kulturen der Minderheitenvölker, sieht man die Kinder eigentlich ständig getragen und erstaunlicherweise kaum bis nie schreiend. Die Kinder fahren in der Trage hinten auf dem Moped, schlafen bei der Marktfrau auf dem Rücken, sind dabei bei der Feldarbeit, etc. Die Tragen variieren von einem einfachen Strick um eine Decke, bis kunstvoll bestickten Tragen mit verschiedenen Bindearten. Dabei sieht man auch häufig tragende Väter, dass heißt auch das Stefan nicht mehr ständig fotografiert wird, weil er so eine Kuriosität für viele darstellte. Ein belgischer Vater servierte uns Waffeln und arbeitete in der Küche mit seinem ständigen kleinen halbchinesischen Begleiter. Hier scheint die Verbindung von Familie und Beruf noch erstaunlich gut zu funktionieren und es heißt nicht Familie oder Beruf sondern die Familie wird integriert ins Berufsleben. Klar sieht das in qualifizierteren Berufen, wahrscheinlich auch anders aus und ich rede hier von den westlichen und nicht östlichen Gegenden von China. Denn vielerorts war und ist es gebräuchlich, die Kinder kurz nach der Geburt in die Hände anderer Familienmitglieder zu geben, um sie von diesen aufziehen zu lassen. Nach Angaben Ortsansässiger, werden Minimum 2/3 der Kinder von anderen Familienmitgliedern, überwiegend den Grosseltern aufgezogen.

Ich wurde schon danach gefragt, ob in Deutschland Jungen auch mehr wert seien als Mädchen. Da viele Chinesen auf Grund ihrer autoritären Schulbildung und Erziehung, immer noch sehr unterwürfig gegenüber ihrer Eltern sind hält sich diese Wertvorstellung gegenüber der Geschlechter, sodass Frauen die mit einem Mädchen schwanger sind von ihrer Familie und Dorf verachtet werden. Es geht soweit, dass Kinder auf Grund ihres Geschlechts zur Adoption freigegeben werden (über 90% sind Mädchen), damit die Frauen im zweiten Versuch evtl. einen Jungen gebären können. Auch hier wird es landesweit wahrscheinlich inzwischen große Unterschiede geben. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es in Deutschland hinter vorgehaltener Hand, genau andersherum ist. Viele Frauen sagen wehmütig, dass sie gerne ein Mädchen gehabt hätten, weil man sie süßer anziehen kann, etc. In westlichen Studien ist auch belegt, dass Mädchen öfters geküsst und liebkost werden. Eine komische Welt…..

Das Wichtigste was wir von China gelernt haben ist, dass es soo vielfältig ist, dass es kaum möglich ist auch nur eine Behauptung aufzustellen die für ganz China zulässig ist. Es ist ein so interessantes, erstaunliches, armes, reiches, und unvorstellbar großes Land. Die Han-Chinesen besuchen ihre Landsleute zum Teil wie im Zoo, weil sich ihr eigenes Land so fremd anfühlt. Mit überdimensionalen Kameras wird jedes einzelne Nasenhaar und jede noch so kleine Falte digital festgehalten. Auf wie vielen Fotos wir auftauchen – auf etlichen, sie füllen wahrscheinlich ganze Festplatten.

China ein Transitland, dass man nach Möglichkeit auf seiner Overlandtour umfahren würde? Niemals, dies ist das Land, welches uns am meisten berührt hat und jede weitere Reise wert ist, auch wenn es ohne weitere Touristen wahrscheinlich am schönsten wäre.

1 Kommentar:

Ninja, Roberto & Joel hat gesagt…

Also Jenny, was für eine Frage, wie machen die Chinesen ihre Kinder sauber, nachdem sie ihr Geschäft auf der Straße verrichtet haben, ist doch klar, einmal in der Woche in der Waschschüssel, *verständnislos Kopf schüttel* !