J: Man warnte uns mehrfach vor der Befahrung des Dirt Tracks zwischen Huay Xai und Pak Beng bei Regen, da die Straßen dann verschwinden und man dann eher auf einer ungesicherten, eisbahnglatten Schlammpiste irgendwo im nirgendwo feststeckt. Mhh das Wetter sah gut aus, wir waren schon lange nicht mehr Offroad unterwegs gewesen, es würde eine Abkürzung sein und auf der Karte sah es nach einem Katzensprung aus… weitgefehlt, alles wovor wir gewarnt wurden traf ein, nur noch eine Spur schlammiger…
Am ersten Tag fuhren wir bei gutem Wetter durch malerische Dörfchen, deren Straßen oft nur so breit wie unser Camper waren. Langsam wurde es dunkel und wir hatten uns irgendwo im Gewirr von Reisfeldern verfahren. Also suchten wir uns einen Stellplatz direkt vor einer kleinen Tageshütte für die Reisbauern und die Nacht brach schwarz herein. Doch viele Bauern waren noch auf dem Weg nach Hause und tuckerten mit ihren kleinen „Mini-Mini-Traktoren“ vorbei. Die Leute auf den Ladeflächen sangen nach Herzenslust zum „ratter ratter rattata“ und es war eine solch wunderbare Stimmung – ein Sommermärchen…ein solch einfaches glückliches Leben, dass es einem warm ums Herzen wurde…
Am nächsten Tag fuhren wir die Strecke ein ganzes Stück zurück und hielten in einem kleinen Dorf um Eier zu kaufen. Bewaffnet mit unserem in China erstandenen „Eiersafe“, da zuvor nur ca. zwei von fünf Eiern die Straßenverhältnisse überlebten, machte ich mich auf den Weg in ein Tante Emma Laden ähnliches Geschäft. Im ersten bekamen sie Angst vor mir, lachten dann, aber die schwarz angemalten Eier durfte ich trotzdem nicht kaufen – war vielleicht auch besser so, wer weiß was das war… Im zweiten „Mini-Tante Emma Laden“ zeigte ich ebenfalls meinen Eiersafe und der Mann sah mich an als hätte ich ihm gerade das zehnte Weltwunder gezeigt… Also schaute ich mich selbst um und gerade als ich meine Suche aufgeben wollte, fand ich ein paar Eier, die dieses Mal sogar zum Verkauf standen. Warum ich diese Eier in dieses komische blaue Gebilde steckte, war ihm unbegreiflich. Hier kauft man Eier immer Tütenweise. Der Eiermann kommt selbstverständlich mit einem klapprigen Moped, schwer beladen mit hunderten Eiern vorbei. Leider konnten wir in diesen Ländern wegen mangelnder Deklaration und Verständigungsproblemen, nicht immer herausfinden aus welcher Haltung die Eier stammten und zogen es daher vor unseren Eierkonsum einzuschränken. Hier in diesem kleinen Dorf wo wir zich Hühner, Hähne und Kücken täglich über die Straße flattern sehen, können wir uns jedoch hoffentlich sicher sein, dass sie ein glückliches Leben haben. Die Hühner flattern gerne wild gackernd durch die Luft um den Liebeshungrigen Hähnen zu entkommen, dass ist immer wieder ein lustiges Schauspiel je nachdem welche Menschen, Tische und Häuser gerade im Weg sind.
Wohlgemut und ahnungslos machten wir uns also auf den Weg in die Berge. Zuerst fuhren wir noch entlang des Mekongs bogen dann aber entlang eines Seitenarmes ab um tief ins Hinterland zu gelangen. Vorbei an wunderschönen Wasserfällen, wenigen Fahrzeugen und überaus freundlichen Menschen.
Das wäre alles wunderbar gewesen hätte es nicht angefangen zu regnen. Ein bisschen Nieselregen kann ja nicht schlimm sein, beschwichtigten wir uns anfangs. Doch aus dem bisschen Regen wurde zunehmend ein Regenguss und die Straßen veränderten sich blitzartig von staubtrocken, die ganze Umwelt in eine dicke Staubschicht legend, zu rutschig schlammig… Innerhalb von Minuten wurde es ein anspruchsvoller Job das Auto unter Kontrolle zu behalten. Straßen wichen Flüssen. Die Pflanzen und Bäume konnten für einen Moment aufatmen und die entzündeten Augen der kleinen Kinder in den Dörfern hatten einen Moment Ruhe vor dem alles vernichtenden Staub. Besonders die schnell fahrenden Trucks wirbeln riesige Staubwolken auf, die sich auf die direkt am Wegesrand liegenden Hütten und Pflanzen legen. Wir fragten uns zwischendurch warum sie die Wäsche überhaupt aufhängten, weil sie die Sachen durch die Rotfärbung gleich wieder waschen konnten.
Brandrodung und Wanderfeldanbau lässt viele Hügel in Verwüstung zurück, der Urwald wird sich davon leider niemals erholen, die Grundlage wurde genommen, Erosion ist die Folge, so dass Wasser nicht mehr gespeichert und langsam abgegeben werden kann. Dies bedeutet für die Bevölkerung eine anstrengende Bewässerung, zum Teil holen die Menschen, dass Wasser mit einer Stange an denen zwei Wassereimer befestigt sind, im ächzenden Watschelgang um das Gewicht auszubalancieren, von einer weitentfernten Wasserstelle im Tal.
Dies ist auch der Grund, dass viele Straßen bei Regen von Schlammlawinen bedroht sind und es gibt immer wieder Erdrutsche die die Straße teils unpassierbar machen. Wir haben Glück und Baustellenfahrzeuge ebnen den Weg für uns.
Wir schlittern mit einem letzten Schub in ein kleines Bergdorf um eine Zwangspause einzulegen. Innerhalb von Minuten werden wir von Kindern und Erwachsenen umringt. Jeder möchte das „Alienkind“ anfassen, Annabelle nimmt es erstaunlich gelassen. Um das Eis zu brechen, nehmen wir die Luftballons, die wir von meinem Vater zur Völkerverständigung geschenkt bekommen haben heraus. Unsere abgedrehte Vorstellung malte sich glückliche mit Luftballons spielende Kinder aus. In der Realität prügelten die Erwachsenen sich mit den Kinder um die Ballons und das Auto wurde gestürmt. Wir waren leicht überfordert mit der Situation und ich entschied mit einem kleinen Dorfspaziergang, die sehr zentrierte Situation aufzulösen. Stefan verbarrikadierte sich im Auto. Einige Kinder folgten uns, aus Angst einer weiteren Eskalation, behielt ich die mitgebrachten Bälle für mich. Die Menschen waren sehr freundlich gesonnen, winkten und lachten uns entgegen. Es war schön Menschen kennenzulernen, die weitab der Touristenströme leben, allerdings war es wie in Kasachstan bei der Hochzeitsgesellschaft, die Maße die zu viel des Guten war. So entschieden wir uns, den Berg noch ein Stückchen höher zu fahren, um zumindest dem Ballungsgebiet zu entfliehen. Schon um die nächste Kurve, fanden wir einen wunderbaren Übernachtungsplatz mitten im dichten Nebel neben einem Vorratskammerdorf (die Hütten sind etwas kleiner und in ihnen werden lediglich Vorräte gelagert), somit war die Nacht wunderbar ruhig und gespenstisch. Am Morgen nutzen wir das feuchte Wetter für eine „Matsch Platsch“ Wanderung und fuhren als sich der Nebel langsam lichtete weiter. Die Straßenzustände wurden schlimmer als je geahnt, aber irgendwie meisterten wir auch die haarigen Passagen mit Bravour. Auf diesen Straßen macht man wohl seinen „4WD Führerschein“. Wir wechselten uns ab, auch wenn ich Stefan in den Städten gerne den Vortritt lasse, fahre ich auf anspruchsvollen Wegen am liebsten selbst.
Irgendwann nach drei bis vier Tagen sahen wir dann endlich den „Silberstreifen“ vor uns, eine Teerstraße… Juhuu! Zurück in der Zivilisation auch wenn der nächst größere Ort immer noch hunderte Kilometer entfernt lag. Nur der Matsch an unserem Fahrzeug erinnerte noch an die vergangenen Strapazen, als wir die Backpackerroute in Pak Beng wieder minimal tangierten. Nach eingehender Begutachtung und Konsultierung mit Einheimischen entschieden wir uns einstimmig, die um das vierfach längere geteerte Nordroute zu nehmen, anstatt uns noch mal solche Grenzerfahrungen fürs Fahrzeug und die Nerven anzutun. Es war wunderschön, lohnenswert und einzigartig, nicht nur die atemberaubende Landschaft, sondern auch die unzähligen Kinder, die uns in jedem Dorf hinterherliefen, die vielen lachenden Gesichter und trotzdem nein, wir lieben unsere Teerstraßen.
 |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen